Als Kind der 70er mit einem größeren Bruder bin ich natürlich „Watzmann-geschädigt“. Der Watzmann – jener sagenumwobene Berg in Bayern. Zweithöchster Berg in Deutschland.
Schon ewig möchte ich den Watzmann übersteigen, der Respekt vor einer Tour alleine und der Stau auf dem Watzmanngrat haben mich bisher davon abgehalten.
Also dann lieber mal Watzmann light, sozusagen als Scouting Tour. Lage checken am Königssee.
Groß und mächtig,
Königssee im Sommer ist gleichzusetzen mit Touristen, Touristen und nochmals Touristen. Ich käme nie auf den Gedanken hier am Wochenende herzufahren. Also habe ich mich in meiner ersten Urlaubswoche zu einer unchristlichen Zeiten ins Auto geschwungen und bin die Strecke von München Richtung Berchtesgaden gefahren.
Das erste Boot über den Königssee in Richtung Obersee geht um 08:00 und meine Hoffnung war, dass der typische Tourist da noch am Frühstückstisch sitzt. Die erste Augustwoche ließ mich hoffen, dass das Wetter nicht wirklich schlecht sein sollte. Hoffen.
Der Plan ging fast auf. Die frühe Anfahrt war super, genügend Zeit vorher noch in einer lokalen Bäckerei zu frühstücken und rechtzeitig am Steg zu sein um im ersten Boot zu sitzen. Eine gute Stunde dauert die Überfahrt und die Wetterbedingungen um 07:45 waren noch so la-la, das wird schon halten. Also nur ein Fleece angezogen und die Regenjacke im Auto gelassen. Kleines Gepäck, kein Rucksack nur die Cosyspeed um die Hüfte. Ich wollte schnell und agil sein.
schicksalsträchtig,
Auf der Überfahrt fing es an zu nieseln. Der Traum schöner Bilder mit Spiegelungen im ruhigen Wasser und einsamen Stellen am See, von genüsslichem Fotomeditieren und einer entspannten Wanderung wurden im kühl-feuchten Nieselregen ertränkt.
Der Tag wird das, was du daraus machst.
um seinen Gipfel jagen
Also Zähne zusammenbeißen und loslaufen. Alleine und ohne großes Gepäck bin ich sehr zügig vom Königssee zum Obersee gelaufen und habe trotzdem die Muse gefunden an den „üblichen Stellen“ – also den bekannten Instagram Hotspots – „mein“ Bild zu machen.
Nebelschwaden.
Die Bilder waren gut – aber nicht wichtig. Wichtig war der Tag „Auszeit“, mehr als das erlegen von längst tod-fotografierten Instagram-Hotspots.
Als ich vom Tal-Ende wieder an der Fischunkelalm Alm am Ende des Obersee zurück war, sind mir dann die ersten Touristen-Mitfahrer der ersten Fähre entgegengekommen. Ja, ich war schnell unterwegs. Trotzdem da. Pause. Genießen.
Watzmann, Watzmann, Schicksalsberg,
Schlimm war der Abstecher an den Watzmann-Gletscher zu der Eiskapelle. Klein ist der Gletscher, sehr klein. Unglaublich wie sehr der Klimawandel am ewigen Eis lutscht. Die Eiskapelle die ich von Bildern nur als große Grotte kenne ist nur noch eine kümmerliche kleine Höhle. Betreten verboten. Einsturzgefahr!
Den Instragram’ern ist das alles ja egal – da wird munter am Eingang posiert.
Am Nachmittag wurde das Wetter wirklich schön und die Flut der Touristen unerträglich. Der richtige Zeitpunkt sich schnellstmöglich aus dem Hexenkessel zu verabschieden und das Weite zu suchen.
du bist so groß und i nur a Zwerg.
Was mir bleibt ist die Erinnerung an die Watzmann-Ostwand (kein Ziel für mich…) und der Vorsatz mit der Familie nochmals den Weg hier her zu nehmen. Für eine kleine gemütliche Runde. Sehenswert ist der Königssee allemal. Und der Watzmann sowieso.
Kommentare
Guten Morgen Oli,
gut auf den Punkt gebracht, so hätte ich es über unsere Zeit auf Rügen schreiben können…trifft meine Beobachtung.
September, nach den Sommerferien, dachte ich auch, es wäre nicht so voll. Zum Glück waren wir noch im Frühaufstehmodus und sind direkt los am ersten Tag, so dass wir vor den Massen im Wald waren und in Ruhe zum Königsstuhl laufen konnten. Das haben wir dann beibehalten und uns außerdem untouristische Ziele gesucht. Antizyklisch.
Liebe Grüße Ulrike
Ja, das böse Instagram. Und Du hast mich da überhaupt erst hingeschleppt. 😀
Das war ein sehr schöner und schön bebilderter Bericht. Am Ende zählt das Erleben mehr als die Bilder. Und gleichzeitig sind Bilder die Stützen unseres Gedächtnisses. Wie viele Kindheitserinnerungen sind an die wenigen Bilder in den Alben meiner Eltern geknüpft?
Instagram generiert einen neuen Massentourismus. Aber ist es nicht auch vor allem ein Symptom? Wir Europäer, wir Deutschen sind nicht mehr die unbestrittenen Reiseweltmeister. Jetzt reisen auch Russen, Inder und Chinesen, um nur Beispiele zu nennen. Instagram führt zu Verstärkungen an ‚Hotspots‘ es steht aber auch für eine Ästhetisierung selbst unscheinbarer Orte. Wenn ich mir ansehe, was allein so in meiner früher gern als hässlich gescholtenen Heimatstadt an Motiven durch Instagram gereicht wird, dann muss ich sagen: Instagram kann allein nicht schuld sein am Massentourismus. Dafür findet es dann doch an zu vielen Orten statt und macht letztlich – da kehrt dann auch die Kritik zurück – auch vieles gleich. Überall Candy. Crispy Caramel. Alles süß und epic und huge und wow. Watzmann oder Monte Scherbelino. Egal.
Viele Liebe Grüße: Stefan
Fühle mich instaunschuldig!
Lieber Oli,
ich war da auch vor drei Jahren, wir haben in Berchtesgaden ein paar Tage übernachtet und sind auch mit dem ersten Boot übergesetzt – Traumwetter am Königssee… aber rappelvoll (selbst unter der Woche). Drumherum gibt es noch eine Menge schöner Wandertouren, die nicht so überlaufen sind. Wir werden uns einfach daran gewöhnen müssen, dass es auf unserem Planeten enger wird, und dass all diese Menschen die wunderschönen Plätze, von denen wir so gerne berichten, mit eigenen Augen (und mit ihrem Handy) „visualisieren“ wollen… Die Geister, die wir riefen.
Ich gewöhne mich an die trölfundzigzigtausend Touristen nie – ich nehme lieber die Routen und Zeiten, die diese meiden. 😉
😀 Wir auch…
Ich hätte da auch noch ein Bild von einem Affenfelsen. 😉 Erinnerst du dich noch auf die vielen rumänischen Touristen, die sich im Bucegi Gebirge an der Sphinx auf das Naturmonument gestellt haben, OBWOHL ein RIEEEESSEN großes Schild davor stand? Begründung: weil ich Rumäne bin! Kopfschüttel!
Einer der mit Abstand schönsten Fleckchen Erde in Deutschland. Die Touristen muss man einfach mit einem zwinkernden Auge nehmen. Immerhin ist man ja selber einer. Solche Orte so früh oder auch zu spät aufzusuchen ist hier immer das Beste. Wenn man dann ein wenig Fußweg in Kauf nimmt, nimmt die Anzahl der Menschen rapide ab. Wer will sich schon bewegen. Danke für die schönen Bilder.
Eigentlich ist es ganz einfach – antizyklisch reisen und die Schönheit der Natur da genießen wo der gemeine Tourist nicht hinkommt. Und bei den Hotspots ein wenig die (Foto-)Erwartungshaltung runterdrehen oder das andere Motiv suchen.
Geht schon. 😉
Danke für den Kommentar und das Feedback.