Als Wilfried von seinen letzten UWW-Erfahrungen geschrieben hat, bin ich gedanklich durch meinen Objektivpark gegangen und habe darüber nachgedacht, welche Linse hier etwas mehr “Liebe” benötigt.

Klar! Das Fujicron 90/2. Eine tolle Linse, aber in der Regel viel zu wenig im Einsatz. Also habe ich mir überlegt, wo und wie man diese großartige Linse einsetzen könnte, wo ich sie normalerweise eher nicht mitnehmen würde. Also mal das “Anti-Einsatz-Szenario” – oder frei nach “Roter Oktober“: den Irren Ivan im Objektivpark.

Wie bereits mehrmals erwähnt, muss ich jeden Herbst einmal in den Weinberg. Dieses Mal dann eben mit dem 90er. Spannend.

Ich habe einen unbekannten/neuen Weinberg ausgewählt und mich am Terroir F des fränkischen Weinlands orientiert.

Hammelburg an der fränkischen Saale, der älteste Weinort in Franken, wollte ich dieses Mal besuchen. Anders als “meine” Weinberge entlang von Neckar, Enz und Main, liegen diese Weinberge nicht entlang eines großen Flusses, und von der Saale ist nur wenig zu sehen. Auch ist er nicht so steil. Weinberg, das bedeutet für mich einen bestimmten Geruch, Menschen, die sich mit großen Kübeln auf dem Rücken gegen den Berg stemmen, und natürlich das Rasseln und Krachen der “Wengertschütz“, die versuchen, die Vögel zu vertreiben. Überraschenderweise waren die Weinberge bereits weitgehend abgeerntet. Auch das ist ein neues Faktum, mit dem ich noch hadere – die Weinernte so früh im September. Klimawandel eben. Ich kam zu spät. Viel zu spät. Die Arbeit war erledigt, die Trauben waren geerntet.

Insgesamt eine spannende Herausforderung: Wie kann man bei einem Teleobjektiv den Kontext zwischen Berg, Wein, Herbst und Umgebung darstellen?

Wie bekomme ich den Fokus auf das Wesentliche, indem ich die Umgebung trotzdem so einbinde, dass man erkennt, wo man ist? Mir fällt so etwas mit einer Normalbrennweite zwischen 23 und 50 mm (Fuji) viel leichter.

Das Blickfeld ist stark eingeschränkt, und ich musste darauf achten, das Wesentliche im Bild zu betonen, ohne ein Wimmelbild entstehen zu lassen. Das 90/2 hilft sehr bei der Freistellung, und die Blendenöffnungen f2 bis f4 kamen oft zum Einsatz; f5.6 hätte auch ausgereicht. Aber wenn man kann, dann nutzt man es eben. Und so ein Bokeh sieht ja auch toll aus – aber wie bekomme ich den Weinberg ins Bild? Kontext, Baby!

Was bleibt also? Ein paar letzte Beeren, die ersten bunten Weinblätter und die unverkennbaren Ranken entlang der Drähte. Zusätzlich noch etwas Kunst im Weinberg.

Das Schlimme ist: Diese Gedanken in dieser Detailtiefe sind erst nach dem Spaziergang entstanden. Ich bin eigentlich recht naiv hingefahren und habe drauflos gearbeitet. Einige Erkenntnisse sind mir bereits vor Ort aufgefallen, andere erst, als ich die Bilder in Lightroom gesehen habe.

Bin ich enttäuscht? Nein, nicht wirklich. Es war ein wunderbarer Sonntagmorgen, und die Stimmung hat gepasst. Das Licht war anfangs mit Nebel wirklich schön, und mit zunehmender Zeit wurde es erwartungsgemäß sehr warm. Sommerwarm. Nur eben ohne Trauben.

Ich muss mich wohl daran gewöhnen, meinen Weinbergbesuch in Zukunft für Ende August/Anfang September einzuplanen.

Kommentare

Lieber Oli,
ich komme ja aus dem Weinbau, mein Opa und mein Schwiegervater waren Winzer, und ich habe immer noch Kontakte in meine rheinhessische Heimat. Der Klimawandel macht sich deutlich bemerkbar, die Weinlese ist jedes Jahr früher. Wingetschütz war ich auch schon, ich bin mit allen Arbeiten im Weinberg vertraut. Schön, dass ich dich anstecken konnte, die Ergebisse können sich auch sehen lassen. Ich kann gut verstehen, dass die einiges erst zuhause erkennst.Das passiert mir auch immer wieder. Ich werde auch öfter mal mit nur einer Festbrennweiten losziehen, das macht die Motivsuche spannender.

LG Wilfried

Hallo Norbert, ich bin ja inzwischen im Rahmen meiner UWW Therapie schon von 10mm auf 50mm (immer Fuji/Crop) angestiegen. Die 90 sind nun die nächste Stufe in meiner Therapiebehandlung. Bleibt noch das 70-300 in der Schublade…. 😀

Hey Sam! Long time not seen! Wie geht es?
Ja, euphemistisch könnte ich jetzt sagen: Klimawandel ist doch toll! Noch ein paar Jahre und wir fahren zwei Weinernten ein! NICHT!

Da hast du eine tolle Sommerstimmung eingefangen! Ich spüre förmlich, wie die Sonne mich wärmt und habe den Geschmack der Trauben im Mund.
Aber warum ist es schlimm, manche Fotoerkenntnisse erst im Nachgang zu haben?

Oh – vielen Dank Vivien! Da habe ich wohl vieles intuitiv richtig gemacht.
Trotzdem würde ich gerne meine Ideen&Themen etwas bewusster angehen.
Okay – zwischen “bewusst” und “verkopft” ist vermutlich ein schmaler grat. 😮

Naja, ich sag´s mal so: Nach dem Foto ist vor dem Foto. Was dir dieses Mal im Nachgang aufgefallen ist, hast du dir für´s nächste Mal bewusst gemacht. Die Kunst besteht darin, es bis dahin im Kopf zu behalten. 😉

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